01 Mein Weg – Schritt 4

Ich mache das richtig gut (Selbstvertrauen)

Ohne Vertrauen gibt es keine Verbindung. Kann ich mich auf mich verlassen? Respektiere ich meine Grenzen? Übernehme ich Verantwortung für mein Handeln? Rede ich gut über mich und andere? Kann ich Hilfe geben und auch annehmen? Wie gut meine ich es mit mir und mit anderen?

Wenn ich mir selbst nicht vertraue und mich nicht ernst und wichtig nehme, werden es auch andere Menschen nicht tun. Meine Aufgabe besteht also darin, Selbstvertrauen aufzubauen.

Ich schaue mir dafür zuerst an, wie ich Vertrauen zu anderen Menschen aufbaue. Das Vertrauen zwischen Menschen ist nicht einfach von Anfang an da. Es muss aufgebaut werden. Schrittchen für Schrittchen, mit kleinen Gesten, Handlungen und Ereignissen. Und es muss sehr achtsam erhalten werden.

Vertrauen bedeutet, dass ich etwas, das mir sehr wichtig ist, in die Hände eines anderen Menschen lege. Ich werde dadurch angreifbar und verletzbar. Der andere hat jetzt etwas in der Hand, das er auch gegen mich verwenden könnte.

Deshalb ist es so wichtig, dass ich verstehe, wie dieser Vertrauensaufbau funktioniert. Nur so kann ich den anderen richtig einschätzen und dadurch Sicherheit bekommen, ob ich ihm trauen kann.

Am besten ist es, wir zerlegen diesen Prozess in seine Einzelteile und schauen jedes einzelne Bauteil des Vertrauensaufbaus einzeln an.

Diese sieben Bausteine braucht es, damit ich dir vertrauen kann.

  1. Zuverlässigkeit – Ich kann mich auf dich verlassen.
  2. Grenzen setzen – Klare Grenzen – echtes Vertrauen.
  3. Verantwortung – Du stehst zu dem, was du tust, auch wenn du mal einen Fehler machst.
  4. Verschwiegenheit – Mein Geheimnis ist bei dir in guten Händen.
  5. Aufrichtigkeit – Du weißt, was sich gehört.
  6. Hilfsbereitschaft – Du hilfst gern und lässt es genauso zu, dass ich dir helfe.
  7. Großzügigkeit – Im Zweifel glaubst du an das Gute, oder du fragst nach.

1. Zuverlässigkeit

Ich kann mich auf dich verlassen. Wenn du eine Aufgabe übernimmst, erledigst du sie auch. Und das nicht nur einmal, sondern jedes Mal. Bereits ein einziger Ausrutscher stört unser Vertrauensverhältnis.

2. Grenzen setzen

Klare Grenzen zu haben und sie auch durchzusetzen, ist das Fundament jeder Verbindung. Ich beschäftige mich damit und lerne, wo meine Grenzen sind und wie flexibel ich mit ihnen umgehen kann.

Jedenfalls gehe ich nicht über meine Grenzen, wenn ich Vertrauen aufbauen will. Wenn du spürst, dass ich meine Grenzen entweder nicht kenne oder sie nicht respektiere, bin ich für dich keine vertrauenswürdige Partnerin.

Und genauso wichtig ist es, dass ich deine Grenzen kenne und sie respektiere. Nix da mit: „Komm schon! Mir zuliebe!“ und „Das mache ich nur, weil ich bei dir nicht Nein sagen kann!“. Klare Grenzen à gute Freundschaften.

3. Verantwortung

Das ist ein enorm wichtiger Punkt, der unser Zusammenleben radikal verbessert. Jeder übernimmt die Verantwortung für das, was er sagt und tut.

Wenn du einen Fehler machst, dann kannst du ihn zugeben, dich entschuldigen und es wieder gutmachen. Keine Ausreden, keine Schuldzuweisungen und kein Verkriechen. Nix da mit: „Du hast aber angefangen.“

Und jetzt kommt der entscheidende Teil: Wenn ich einen Fehler mache, dann kann ich mich darauf verlassen, dass du mir die Gelegenheit gibst, zu meinem Fehler zu stehen, meine Entschuldigung annimmst und ich es wieder gutmachen darf.

Auch noch wichtig:
Bei Verantwortung geht es nie um Schuld. Ich kann davon ausgehen, dass wir alle jeden Tag alles was wir tun, so gut wie möglich machen wollen. Und dafür sollen wir auch die Verantwortung übernehmen.

Hätten wir die Schuld an einem Unglück, würde das voraussetzen, dass wir bösartig, mutwillig und absichtlich schlecht gehandelt haben. Das machen wir aber nicht im Zusammenleben mit unserer Familie, unseren Freunden oder am Arbeitsplatz. Also hüte ich mich vor Schuldzuweisungen.

4. Verschwiegenheit

Was wir uns gegenseitig erzählen, bleibt unter uns. Du plauderst meine Geheimnisse nicht aus und ich nicht deine.

Und dann machen viele aber folgenden Fehler: Sie glauben, sie können Vertrauen aufbauen, indem sie näher an uns heranrücken, die Stimme senken und uns intime Geheimnisse anderer Menschen erzählen. Sie glauben, gemeinsam über andere zu lästern und zu schimpfen, schweißt uns zusammen.

Bei mir schürt es jedoch eher das Misstrauen dir gegenüber. Wenn du die Geheimnisse anderer nicht respektierst, wirst du auch meine bei passender Gelegenheit ausplaudern. Also passe ich auf, was ich weitererzähle, auch wenn es mir scheinbar belanglos vorkommt.

Ich meide die Gerüchteküche wie der Teufel das Weihwasser, wenn es um vertrauensvolle Verbindungen geht.

5. Aufrichtigkeit

Aufrichtige Menschen erkennt man an drei Dingen:

A) Sie stellen Zivilcourage über Bequemlichkeit und helfen anderen, auch wenn es für sie unbequem ist.

B) Für aufrichtige Menschen ist es oft wichtiger, das Richtige zu tun, als das zu tun, was Spaß macht, schnell geht und leicht ist. Außerdem macht „das Richtige tun“ langfristig auch mehr Spaß.

C) Aufrichtige Menschen leben ihre Werte und reden nicht nur darüber.

6. Hilfsbereitschaft

Mir kann es schlecht gehen, ich kann zerfallen und am Boden zerstört sein, ohne dass ich von dir verurteilt werde und „gute Ratschläge“ bekomme. Und umgekehrt verziehe auch ich nicht das Gesicht, wenn du mal heulst und schimpfst und Angst hast.

Was ist das Gegenteil von gut?
Antwort: gut gemeint

In schwierigen Situationen tun sich die meisten von uns schwer damit, um Hilfe zu bitten. Wir sind besser darin, Hilfe zu geben. Wir glauben, eine vertrauensvolle Beziehung mit jemandem zu haben, weil wir immer für sie oder ihn da sind. „Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du mich brauchst.“ Echtes Vertrauen entsteht aber erst, wenn ich auch dir die Gelegenheit gebe, mir zu helfen.

Es reicht nicht, andere nicht zu verurteilen oder zu bewerten, wenn sie Hilfe brauchen. Ich darf mich auch selbst nicht zurückziehen, wenn es mir schlecht geht, und sollte die Unterstützung liebevoll annehmen.

Menschen helfen gerne. Also tu ich ihnen den Gefallen und nehme ihre Unterstützung dankbar an.

7. Großzügigkeit

Wenn du etwas sagst oder tust, kann ich mir darüber Gedanken machen und zu dem Entschluss kommen, dass es gemein, verletzend oder respektlos war. Das ist für viele von uns eine fast natürliche Reaktion. Wir gehen meistens vom Schlechten aus. Das ist aber nur eine Interpretation. Vielleicht täuschen wir uns ja.

Wenn ich Vertrauen aufbauen will, kann ich großzügig sein und immer das Beste annehmen. Im Zweifel für den Angeklagten – und meistens ist er unschuldig. Und wenn ich mir wirklich sicher sein will, frage ich einfach nach, bevor ich mir ein Urteil bilde oder gleich zurückschieße. „Wie hast du das gemeint?“ „Wie kann ich das verstehen?“


Aus diesen sieben Zutaten setzt sich also Vertrauen zusammen. Jetzt weiß ich, worauf ich achten muss, wenn ich mich jemandem anvertraue und wenn ich möchte, dass andere Menschen mir vertrauen.

  • Ich bin zuverlässig,
  • gehe vorsichtig mit Grenzen um,
  • übernehme Verantwortung für das, was ich sage und mache,
  • bewahre Geheimnisse gut,
  • bin aufrichtig,
  • kann Hilfe annehmen und
  • bin großzügig darin, wie ich andere interpretiere.

Durch einen Vertrauensbruch entsteht Misstrauen. Beispiel:
Ich würde am liebsten im Boden versinken. Ich habe Renate etwas über mich erzählt, was niemanden sonst etwas angeht. Ich habe gedacht, ich kann ihr vertrauen. Über ein paar Ecken habe ich dann erfahren, dass sie es weitererzählt hat und es nun mehrere Menschen in meinem Umfeld wissen. Es ist mir total peinlich und unangenehm.

Das ist hart. Es ist hart, hintergangen zu werden. Ich fühle mich klein, bloßgestellt, hilflos und ohnmächtig. Dazu kommt die Wut über Renate, die meine Geheimnisse ausplaudert. Und die Wut über mich selbst, dass ich sie falsch eingeschätzt habe.

Dann kommen die Verzweiflung und die Angst: Was denken nun alle anderen über mich? Sie werden sich von mir abwenden. Dann werde ich traurig. Traurig darüber, dass Freundschaften in die Brüche gehen könnten. Traurig, dass ich mir selbst nicht vertrauen kann.

Nehmen wir mal an, Renate ist eine Frau, die total zuverlässig ist, respektvoll mit Grenzen umgeht, ein echtes Vorbild dabei ist, anderen zu helfen, mich auch immer wieder um Rat und Unterstützung bittet und nur die beste Meinung von anderen hat. Ihre Schwäche ist ihr loses Mundwerk und wenn ein Schlückchen Prosecco im Spiel ist, merkt sie nicht mehr, was sie alles daherplappert.

Am nächsten Tag ruft sie mich ganz verzweifelt an und ist untröstlich wegen des Schlamassels, das sie angerichtet hat. Sie will es wiedergutmachen und bei unseren Freunden ihren Fehler eingestehen und mich wieder in ein gutes Licht rücken.

Mit dem Wissen über die sieben Bausteine des Vertrauens muss ich Renate nicht meine Freundschaft kündigen. Ich kann mich auch selbst etwas an der Nase nehmen. Wäre ich bereits ein bisschen routinierter im Umgang mit Vertrauen gewesen, wäre mir aufgefallen, dass Renate diese Schwäche hat. Sie hat mir ja auch von Frank das eine oder andere prickelnde Detail erzählt. Ich kann es in Zukunft also vermeiden, Renate Dinge zu erzählen, die keinen etwas angehen und sie trotz des Vorfalls als Freundin behalten.

Vielleicht ist Renate aber einfach ein unzuverlässiger und verantwortungsloser Windbeutel, mit dem man sich höchstens oberflächlich abgibt. Das bemerke ich in Zukunft sicher, bevor ich meine Geheimnisse weitererzähle.

Ich werde immer wieder auf Menschen treffen, die nicht „kompatibel“ sind mit mir. Und das ist völlig in Ordnung. Ich kann nicht jeden lieben und nicht jeder kann mich lieben.

Mit dem Wissen über die sieben Bausteine des Vertrauens kann ich viel differenzierter mit den Menschen in meinem Umfeld umgehen. Ich kann zum Beispiel sagen: „Ich liebe dich, aber es ist sehr schwierig für mich, wenn du eine Aufgabe übernimmst und sie dann nicht erledigst. Das ist sehr unangenehm, vor allem, wenn es auf mich zurückfällt und Dritte dann von mir enttäuscht sind, wenn die Dinge nicht umgesetzt wurden.“

Wenn ich also detailliert weiß, was das Vertrauensproblem ist, kann ich mit dir auch gezielt darüber sprechen und nach Lösungen suchen, wie wir es verbessern können.

Was ist einer der schlimmsten Vertrauensbrüche?
Ich bin mit dir in einer Liebesbeziehung. Du kennst meinen wunden Punkt und stellst mich damit vor anderen bloß. Damit zeigst du, dass du bereit bist, geheiligte Informationen als Waffe zu benutzen. Ich kann dir nicht vertrauen.

Vorsicht!
Es gibt noch eine Art, einen Vertrauensbruch zu begehen. Ich muss gut aufpassen und erkennen, wann ich die Gelegenheit bekomme, das Vertrauen zu einem Menschen zu stärken. Nutze ich diese Chance nicht, ist das nicht nur eine verpasste Gelegenheit und ich kann die nächste nutzen.

Nein, es ist ein Vertrauensbruch, der es dem anderen schwer macht, auf unsere Verbindung zu bauen. Kommt so etwas öfter vor, schwindet das Vertrauen und die Beziehung wird sehr darunter leiden.

Beispiel:
Ich hatte mich einmal aus meiner Wohnung ausgesperrt, weil ich vergessen hatte, meinen Schlüssel mitzunehmen. Ich wollte nur den Müll runterbringen und stand im Winter ohne Jacke in Jogginghosen vor verschlossener Tür. Glücklicherweise hatte ich einen Ersatzschlüssel bei einem Freund platziert.

Er war nur fünf Minuten mit dem Auto entfernt. Als ich ihn anrief und ihm meine missliche Lage schilderte, meinte er, er sei zu Hause und gerade mit den Kindern am Kochen und könne jetzt nicht weg, aber ich kann den Schlüssel gern holen.

In der halben Stunde Hinweg zu Fuß und der halben Stunde Rückweg fror ich und ärgerte mich über sein Verhalten. Es wäre doch ein Leichtes für ihn gewesen, die Kinder ins Auto zu setzen und nach zehn Minuten wieder zu Hause zu sein. Er ließ diese Chance, mein Vertrauen in ihn zu stärken, ungenutzt.

Das war allerdings auch nur meine Interpretation. Ich hätte auch nachfragen können, warum er sich nicht schnell ins Auto setzen kann. Kommt dann eine fadenscheinige Ausrede bleibt es dabei – mein Vertrauen zu ihm bekommt einen Knacks.

Wie schaut es jetzt aber mit dem Vertrauen zu mir selber aus?

Und jetzt kommt der lustige Teil dieser Lektion. Ich stelle mir jetzt die Frage, ob ich denn mir selbst vertrauen kann. Selbstvertrauen! Kann ich mich auf mich selbst verlassen? Wie großzügig bin ich mit mir? Halte ich mich an meine Pläne? Wie spreche ich über mich? Respektiere ich meine Grenzen?

Und genau hier setze ich an. Ich kann nämlich nicht erzwingen, ob mir jemand vertraut oder nicht. Wenn ich mir aber selbst nicht vertraue, werden es auch andere Menschen nicht tun. Meine Aufgabe besteht also darin, Selbstvertrauen aufzubauen.

Auch solche Übungen wie aus dem vorigen Kapitel, zum Beispiel mit dem Glas Wasser jeden Morgen, stärken mein Selbstvertrauen. Mein inneres Kind gehört zu mir und meinem „Selbst“. Mein TDE deckt auf, bei welchen der sieben Bausteine des Vertrauensaufbaus ich mir selbst noch nicht traue.

Diese sieben Bausteine braucht es auch, damit ich mir selbst vertrauen kann.

  1. Zuverlässig – Ich kann mich auf mich verlassen.
  2. Grenzen setzen – Ich nehme meine Grenzen wahr, kann flexibel mit ihnen umgehen und sie, wenn nötig, verteidigen.
  3. Verantwortung – Ich stehe zu dem, was ich tue, auch wenn ich mal einen Fehler mache.
  4. Verschwiegen – Ich plaudere nicht über meine Intimitäten und bewahre die Geheimnisse anderer.
  5. Aufrichtig – Ich weiß, was sich gehört.
  6. Hilfsbereit – Ich nehme meine Bedürfnisse wahr und kümmere mich um mich selbst.
  7. Großzügig – Ich bin milde mit mir selbst.

Beispiel:
In meinem TDE steht Folgendes: Ich bin selbstständig. Ich habe mir vorgenommen, die nächsten vier Wochen keine Aufträge anzunehmen, die ich nicht als Routine-Auftrag erledigen kann. Ich habe das dringende Bedürfnis, jeden Tag ein bisschen Zeit für mich selbst zu haben und mich um mein Wohlbefinden und meine Gesundheit zu kümmern.

Heute hat ein neuer Kunde angerufen und mich um Unterstützung bei seinem Projekt gebeten. Ich habe zugesagt, obwohl der Arbeitsaufwand nicht klar ist und es sich um keinen Routine-Auftrag handelt. Ich habe meine Grenze missachtet. Die anderen sind wichtiger als ich. Ich kann mich nicht um mich selbst kümmern. Ich kann mich nicht auf mich verlassen.

Ich habe mir offensichtlich zu viel vorgenommen. Ich bin noch nicht so weit. Also mache ich die Aufgabe etwas leichter. Ich nehme mir vor, das nächste Mal wenigstens den Zeitrahmen für einen neuen Auftrag zu vergrößern. Und wenn mir das leichtfällt, werde ich es auch schaffen, einen Auftrag mal nicht anzunehmen oder zu verschieben.

Schritt für Schritt arbeite ich daran, das Vertrauen zu mir selbst aufzubauen. Selbstvertrauen kann nur von mir selbst aufgebaut werden. Dabei kann mir niemand helfen. Ich bin es wert. Ich bin richtig. Ich mache das richtig gut.