02 Mein Licht – Spot 2
Hemmungen und die Angst, sich zu blamieren
Steigt die Scham in mir auf, weil ich mich blamiert habe, wächst die Unsicherheit. Mein Ego malt Horrorszenarien von dem, was passieren wird, und ich möchte im Boden versinken. Ich gebe mich auf. Mein Reptiliengehirn übernimmt das Kommando und schlägt Alarm.
Ich bekomme Panik – Panik davor, ausgeschlossen zu werden – von meiner Gruppe verstoßen, allein gelassen. Das werde ich nicht überleben. Als Kind war diese Angst real. Ich war tatsächlich abhängig von meiner Gruppe (Familie). Es war überlebenswichtig, dazuzugehören.
Scham ist immer destruktiv. Sie nagt an meinem Selbstwert. Ich mache mich selbst nieder und klein, bis ich in keinen Schuh mehr passe. Eine Abwärtsspirale, die in Selbstzweifel, Minderwertigkeit und Depression endet. Ich bin nicht richtig. Ich bin schlecht.
Scham entsteht, wenn wir unser Ansehen gefährdet sehen. Scham entsteht durch den Vergleich mit anderen. Es geht um die Angst, von anderen abgelehnt zu werden. Ich habe Angst, dass ich fehlerhaft bin und deshalb ausgegrenzt werde und keine Liebe und Zugehörigkeit verdiene. Das erzeugt massive Existenzängste, da ein Leben alleine keinen Sinn macht, ja sogar lebensbedrohlich wird.
Peinliche Situationen, Demütigungen und Schuldzuweisungen können Scham in mir auslösen und an meinem Selbstwert knabbern. Wenn es aber einen Weg in diesen Sumpf hinein gibt, dann gibt es auch einen Weg, wie ich da wieder herauskomme. Selbstwert und Scham korrelieren: Je mehr Selbstwert, desto weniger Scham. Also mache ich mich daran, meinen Selbstwert aufzupolieren. Ich habe schließlich eine ganze Menge zu bieten.
Ertappe ich mich bei einer Selbstverurteilung, nehme ich mein TDE und überlege: Ist das wirklich wahr? Bin ich tatsächlich ein Versager? Oder habe ich nur in dieser bestimmten Situation etwas unglücklich gehandelt und kann es wiedergutmachen? Oder war die Kritik ungerechtfertigt oder übertrieben und ich übernehme nur eine Teilschuld? Oder kann ich vielleicht gar nichts dafür und war nur zur falschen Zeit am falschen Ort?
Wichtig ist, zwischen Scham und Schuld zu unterscheiden. Wenn ich mich für etwas schäme, sage ich zu mir: „Ich bin schlecht.“ Wenn mir in der Früh der Kaffee auf den Boden fällt und eine Riesensauerei veranstaltet, kann ich mir denken: „Was bin ich für ein ungeschickter Idiot?“ (Scham).
Das Ziel ist es, darüber zu schmunzeln und mir zu denken: „Oh, das war ungeschickt. Ich bin wohl noch nicht ganz wach. Ich werde zuerst ins Bad gehen, mich etwas frisch machen und dann probiere ich es noch mal“ (Schuld). Wenn ich mich schuldig fühle, sage ich zu mir: „Das habe ich schlecht gemacht.“
Als Kind bekam ich gesagt: Du bist schlecht. Das nagte an meinem Selbstwert. Heute versuche ich, das zu kompensieren, zum Beispiel mit Perfektionismus (Ich will allen gefallen) oder Narzissmus (Ich gefalle mir selbst übertrieben gut). Ein Schlüssel liegt also auch darin, meinen Selbstwert nicht mehr daran zu knüpfen, was andere von dem halten, was ich sage, schreibe, tue oder schaffe.
Natürlich ist schlechte Kritik immer enttäuschend. Aber genau dafür habe ich mein TDE (Tagebuch der Enttäuschungen). Damit kann ich arbeiten und mich verbessern. Ich habe einen schlechten Text geschrieben. Ja, ist vielleicht was dran. Vielleicht war es aber auch der falsche Empfänger. Jedenfalls bin ich deswegen kein schlechter Mensch.
Es tut weh, zu verlieren, kritisiert oder ausgelacht zu werden. Aber ich lerne, dass ich nicht wegen dem Applaus, dem Erfolg oder der Anerkennung in den Ring steige. Ich tue es, weil ich intuitiv spüre, dass es richtig ist, dass ich es tun will und dass ich den Mut dazu aufbringe.
Die Angst abzubauen, dass ich mich blamieren könnte, ist der Schlüssel, um meine Verwundbarkeit zuzulassen. Ich kann mich nicht vor anderen zeigen, wenn ich Angst davor habe, was sie von mir denken könnten. Ich nutze die kleinen Gelegenheiten im Alltag, um in die Arena zu steigen und mich zu zeigen, mit allem, was ich draufhabe. Beispiele:
- Wenn jemandem etwas zu Boden fällt, bin ich es, der es wieder aufhebt.
- Wenn über jemanden schlecht geredet wird, bin ich es, der auf die guten Seiten hinweist und ihn in Schutz nimmt.
- Wenn jemand ehrlich Hilfe braucht, bin ich es, der diese Hilfe ohne Hintergedanken anbietet.
- Wenn mich jemand angreift, habe ich den Mut, mich zu schützen, die Fähigkeit, die Situation richtig einzuschätzen, eine klare Grenze zu ziehen und gegebenenfalls Verantwortung zu übernehmen..
